Dienstag, 1. Februar 2011

Die Erkenntnis, dass Thoraxchirurgie nichts im Matheunterricht zu suchen hat.

Mal wieder im Matheunterricht. Mal wieder eine Doppelstunde. Natürlich waren dann alle froh und erleichtert einige freie, entspannte Minuten zu bekommen, als unsere Mathelehrerin anfing ihren PC hochzufahren und das Programm zu starten, was schon einige Zeit in Anspruch nahm. Während sie an ihren diversen Gerätschaften rumfummelte, redeten so einige frei mit ihrem Tischnachbarn und andere quer durch die Klasse. Sie schien das nicht zu stören. Ganz im Gegenteil. An manchen Tagen nahm sie mit Lust und Freude an unseren Privatgesprächen teil. Unsere Jungs redeten davon, wie cool es wäre, die Xbox an unser Smartboard anzuschließen und was-weiß-ich-was zu zocken. Ich weiß nicht mehr, was mich dazu brachte den Satz der Schande zu sagen, aber ich sagte ihn. "Ich weiß, wie man eine Herztransplantation durchführt. Ich lese Tess Gerritsen.". Meine Lehrerin sieht entsetzt von ihrem Getue auf und mustert mich mit dem Todesblick. Der Todesblick, mit dem ich jedes Mal angesehen werde, wenn ich etwas falsch mache. "Was soll ich jetzt von diesem mündlichen Beitrag halten?". Wenn Tonfälle töten könnten, hätte sie mich in dem Moment bei lebendigem Leib begraben. Sie hat mich nicht nur vor der ganzen Klasse erniedrigt und bloß gestellt, nein, sie musste mich auch noch für mich selber schämen lassen. Einen Moment lang, aber wirklich auch nur einen Moment lang, habe ich mich gefragt, ob ich mich entschuldigen sollte, aber ganz ehrlich? Wofür denn? Für den Rest der Doppelstunde habe ich mir selbst eingeredet: Du wechselst an diesem Tag auf gar keinem Fall auch nur ein Wort mit ihr!  Sie redet Mathe und ich vermeide sogar den Blickkontakt. Ich ertappte mich dabei, wie ich Ähnlichkeiten zwischen ihr und den ekligsten Tierarten die ich kenne suchte. Ich entschied mich für Warzenschwein. Die Zeit verging und irgendwann klingelte es zur Halbzeit. Pause. Alle Finger erhoben sich, um zu fragen, ob wir rausgehen dürfen. Wir dürfen immer... außer heute. Keine Panik, nicht aufregen, sie ist auch nur ein Mensch. Ist doch nicht das Ende der Welt, die fünf Minuten Matheunterricht länger zu machen. Das wurde es erst, als ich eine halbe Stunde vor dem Unterrichtsende auf die Toilette musste. Shit, dachte ich, was mach' ich denn jetzt? Ich rieb die Beine aneinander und zappelte rum, doch es wurde nicht besser. "Hey, mal doch einfach in dein Hausaufgabenheft, um dich abzulenken.", sagte mein Tischnachbar, "toll und was soll ich bitte malen?" "Wie wär's denn mit... Tropfen... ". Ich schlug mit meinem Kopf auf den Tisch und meine Stirn bohrte sich in meine Matheformeln. Grr... meine Blase platzt. Halte durch! Du wirst dich ganz bestimmt nicht melden, du wirst nicht aufgeben! Ich bekam dann irgendwann zusätzlich Kopfschmerzen, die übrigens bis zum Abend anhielten. Ich griff mir an die Stirn. Sie glühte. Ich fühlte mich, als würde mein Schweizer-Käse-Hirn schmelzen. Und, als würde die ganze, dabei entstehende Flüssigkeit in meiner Blase verstauen. Irgendwann war es zehn Minuten vor Unterrichtsende und mir war immernoch nichts eingefallen. Die einzige Kloschüssel, die ich gesehen hatte, war die, die ich, vor lauter Verzweiflung, in mein Hausaufgabenheft gezeichnet hatte. "Jetzt reicht's", sagte eine Freundin, "Ich melde mich jetzt für dich"... "Hey, hey! Maya muss dringend auf's Klo und traut sich nicht es zu sagen, weil sie sie angeschnauzt haben... ". So hatte mein Ego den Kampf verloren. Auf's Klo drufte ich trotzdem nicht. "Soll se doch leiden!", sagte die Mathelehrerin scherzhaft und verzog ihr Warzenschweingesicht zu einem Lächeln. Danke auch.

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